Blogeinträge (themensortiert)

Thema: ziehen - beziehen - erziehen

Ausgelaugt

Geschafft. Mit schier übermenschlicher Anstrengung Fragen gestellt. Gezittert, gewartet, Panik. Puls auf 200, Atemnot. Fast nicht geschafft, die Antworten zu lesen. Existenzielle Angst, die keiner logischen Betrachtung standhält, aber einfach da ist. Sie ist einfach immer da und sie überrollt mich. Atmen. Runterfahren. Schnell die Lücke in der Deckung wieder schließen, ab in die gut gelaunte Emotionslosigkeit, die mich weitermachen lässt. Immer weiter. Atmen.

Kati 07.02.2023, 12.57 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Wochenendnachlese

Das Wochenende war emotional so dicht, dass ich vermutlich einige Zeit benötigen werde, mich von den Eindrücken zu erholen. Es ist ein unfassbar großes Geschenk, erwachsene Kinder Entscheidungen treffen sehen zu dürfen und es erfüllt mich mit Ehrfurcht, dass das Baby, das ich gestern in meinen Armen hielt, im Hier und Heute mit beeindruckender Reife selbstwirksame Dinge tut. Ich kann nur schauen und staunen und bewundern und versuchen, mit meinem Stolz und meiner Liebe nicht am Boden zu halten, was fliegen muss.
Ich habe mich in den letzten Jahrzehnten oft gefragt, ob richtig ist, was ich tue. Bei jeder Entscheidung hadert man als Mutter, ob es wirklich das Richtige ist und man weiß, dass man erst Jahre oder Jahrzehnte später Antworten oder ein ehrliches Feedback erhalten wird, und das auch nur, wenn man ganz viel Glück hat.

Und ich hätte mit vielem gerechnet, aber nicht jetzt schon mit diesem geistig anmutigen und reflektierten Wesen, das genau und respektvoll benennen kann, was gut getan hat und was nicht. Es offenbart auch in diesem Alter schon eine Erfahrungs- und Gefühlstiefe und Weitsicht, die mich schier sprachlos macht.

Wie kann ein Mensch von innen und außen nur so schön sein?

Kati 22.01.2023, 21.00 | (0/0) Kommentare | PL

Qual

Es sind Nächte wie die vergangene, auf die Tage wie heute folgen.
Voller Hass, Selbstzweifel, Trauer und Wut.
Voller Hätte und Wenn und Wäre.
Voller Trauer vor allem.
Wenn ungeweinte Tränen aus zwei Jahren in die Augen steigen und man nichts dagegen tun kann.
Außer weinen. Was man sich geschworen hat, wegen diesem Menschen nie wieder zu tun.
Auch wenn es das eigene Kind ist.
War?
Ach, ich weiß es ja nicht.

Die Zweifel sind groß und die kleine Menge der Menschen, die zum tausendsten Mal die tragische Geschichte meines Verlusts anhören wollen, tendiert inzwischen gen Null. Was ich sogar verstehen kann. Ich kenne alle Es ist jetzt schon lange hers, alle Sie ist ja nicht aus der Welts und vor allem alle Das wird irgendwann schon wieders.

Und ich zerbreche allein beim Gedanken an einen weiteren Allgemeinplatz, eine weitere Floskel, eine weitere sensationslüsterne Nachfrage. Ich kann das nicht mehr und ich will das nicht mehr.

Natürlich haben wir das aufgearbeitet. Dutzende Stunden mit und ohne Supervision darauf verschwendet, die Lage und jedem nur denkbaren Gesichtspunkt zu beleuchten und zu zerkauen. Intellektuell ist alles gesagt.

Das Herz schreit immer noch. Laut. Verzweifelt. Es gibt keinen Trost.
Will in den Arm nehmen, festhalten, nie wieder loslassen.
Will die Zeit zurückdrehen und irgendetwas anders machen.
Egal was.
Alles, wenn es nötig sein sollte.
Es ist müßig. Sie kommt nicht zurück. Ich kann sie nicht zu Kontakt zwingen. Zu Antworten schon gar nicht. Zwei Jahre ohne mein Kind. Ohne zu wissen, wie es ihr tatsächlich geht. Nur mit der Ahnung, mit hingeworfenen Brocken von Jahr zu Jahr, mit Bruchstücken aus Polizeiberichten, und mit ganz viel vorgespieltem Alles in Ordnung. Mit Schweigen. Vor allem mit Schweigen.

Und einem in unendlich viele Stücke zersprungenen Mutterherz, das kaum noch in der Lage ist, irgendetwas zu empfinden.

Kati 01.06.2020, 07.00 | (3/3) Kommentare (RSS) | PL

Danke.

Wir haben in den vergangenen Jahren viele schmerzhafte Lektionen gelernt.

Ich glaube, ich habe mich nie richtig bei dir dafür bedankt, dass du um uns gekämpft hast, als ich uns schon fast aufgegeben habe.
Dass du ausgehalten hast.
Mich.
Dich.
Uns.
Den Schmerz. 
All meinen Hass, die Wut und die Dunkelheit. 

Dass du dich jeden Tag der schmerzhaften Auseinandersetzung mit mir gestellt hast, ohne jemals dein Rückgrat zu verlieren.

Du hast dort gestanden, aufrecht, stark, unbeugsam und ... demütig.

Wir sind andere, als wir davor waren und das ist etwas Gutes.
Wir haben es geschafft, unser Licht vor der Dunkelheit zu bewahren.
Das ist zum größten Teil dein Verdienst.

In all der Zeit hast du niemals an uns gezweifelt. Bist nie auch nur einen Schritt zurückgewichen. Egal, wie sehr ich getobt habe.
Und dafür bin ich dir unendlich dankbar. 

Man sagt, die besten Männer erwachsen aus ihren größten Fehlern. 

Danke, dass du da bist. Dass du zu mir gehörst. 

Ich liebe dich.

Kati 25.03.2020, 12.00 | (1/0) Kommentare (RSS) | PL

Stolpern

Die wohl umfassendste Erkenntnis dieser Tage ist jene, dass ich Menschen lieben kann, ohne sie zu mögen. Liebe ist für mich persönlich ein existenzielles Gefühl von Zuneigung und Zärtlichkeit, das anscheinend in keinster Weise mehr davon beeinträchtigt wird, dass man dem Verhalten eines Menschen, seinen Wert- und Moralvorstellungen und seinen Entscheidungen ablehnend gegenübersteht.
Und diese Erkenntnis erlöst von der schier unmenschlichen Aufgabe, das, was ein Mensch mit diametralem Wertesystem tut, mit der Liebe für ihn unter einen Hut bringen zu müssen. Dass diese zwei Gefühlsstränge unabhängig voneinander exisiteren können, ist mir neu.
Ich bin ein Mensch, der die Dinge am liebsten schwarz und weiß betrachtet. Entweder oder. Alles oder nichts. Sieg oder Tod. Das sind die Dinge, an denen ich mich seit 4 Jahrzehnten orientiere.
Mein Wandlungsprozess der letzten Jahre macht Dinge möglich, die ich für unvereinbar hielt.
Und ich finde das momentan nicht einmal schlimm. Im Gegenteil. Ich erfreue mich an einer Liebe und an meiner Zuneigung für Personen, während ich mich gleichzeitig von ihnen abgrenze. Ein Paradoxon, das mir gerade den Weg öffnet, in Liebe weitergehen zu können, ohne meine eigenen Grundwerte zu verraten.

Kati 02.03.2020, 18.00 | (0/0) Kommentare | PL

Was trägt

Ich kann gar nicht so viele Worte um diese Sache machen, wie ich möchte.
Es hat sich vor Monaten eine neue Beziehung in mein Leben geschlichen, die paradoxerweise so spektakulär wie selbstverständlich für mich ist. Von einem auf den anderen Tag einfach "da" und seitdem auch nicht mehr wegzudenken. Ich bin kein Mensch, der leicht in persönliche Alltagsbeziehungen einsteigt und noch weniger Einer, der es für nötig oder erstrebenswert hält, Freunde zu haben. Ich bin ja mit den vielen Bekannten hier in meinem Leben schon leicht überfordert, von denen mich viele sicherlich ohne zu zögern als Freundin bezeichnen würden, mit denen ich aber niemals auf diese Fahrt gehen würde. Und nun hat sich nach all den Jahren einfach klammheimlich eine Routine mit einem anderen Menschen in mein Leben geschlichen, die ich um keinen Preis der Welt mehr missen möchte.

Kati 06.09.2019, 12.00 | PL

Das Glückskind

Die Kriegerprinzessin ist in vielerlei Hinsicht ein Glückskind. Das fing vielleicht schon damals an, als sie mitten in der Nacht mit halbem Glückshäubchen, einem Herzfehler und tiefblauem Gesicht (und einer Nabelschnur, die sich mehrfach um ihren Hals gewickelt hatte), im größten Gewitter des damaligen Sommers geboren wurde. Sie ist das Kind, das wir am häufigsten in ein Krankenhaus fahren oder von dort abholen mussten. Egal, ob sie sich einmal die gesamte Lippe gespalten hatte und mit zwei Jahren stoisch - ihren Lieblingsesel an sich gedrückt - das Nähen der gesamten Lippe über sich ergehen ließ - mir trotzig in die Augen blickend und willens, diese Prozedur durchzustehen - oder ob wir eines Tages nach Hause kamen, den Kobold in heller Aufregung vorfanden, die Polizei sei dagewesen, die Motte sei vom Auto angefahren worden. Auch da holten wir später ein leicht trotziges und aufrecht stehendes Kind aus dem Krankenhaus. Nicht ohne bleibende Schäden, aber seelisch unversehrt.
Ich stehe voller Ehrfurcht vor diesem einen Kind, das mir so ähnlich ist und mich so sehr zur Weißglut bringen kann wie kein anderes. Mit dem ich mich bis aufs Blut streiten kann. Das gleichzeitig eine Sanftmut gegenüber anderen Lebenwesen an den Tag legt, die ihresgleichen sucht.

Und ich sehe voller Dankbarkeit und Staunen, wie das Leben und das Schicksal immer wieder ihre Hände über dieses willensstarke Geschöpf halten.

Wenn jemand etwas gewinnt, dann ist sie es. Wenn jemand etwas findet, an dem wir alle vorbeigelaufen sind, dann ist sie es. Wie beim Fahrradfahren, als wir alle über einen 20 Euro Schein gefahren sind und sie ihn sah und aufhob. Wie sie jeden Getränke- oder Essensautomaten überprüft und immer eine Münze findet. Zwei Euro hier, einen Euro dort, einen Schein auf der Straße... Kranke oder verletzte Tiere - findet nur sie und bringt sie mit nach Hause.
Sie ist das Kind, das ich Lose aussuchen lasse und mit jedem davon gewinne.

Sie ist auch dasjenige, das sich den gefährlichsten Situationen aussetzt. Das Kind, das am höchsten klettert, am tiefsten fällt, hundertprozentig den Dornenbusch oder das Brennesselfeld trifft, wenn wir anderen in der Buchenhecke landen. Sie ist heimlich an den Fluss gegangen, während er Hochwasser führte, reingefallen, kam wieder heraus. Sie ist abends zum Sportplatz geschlichen, eingesperrt worden, in der einsetzenden Dunkelheit über drei Meter Gitter geklettert.

Sie tanzt im zarten weißen Spitzenkleid mit ihren schimmernden rotgoldenen Haaren und schlägt unerbittlich zu, wenn sie sich verteidigen muss.
Niemand nimmt diesem Kind irgendetwas weg.

Wer viel Helligkeit in sich trägt, zu dem gehört auch die Dunkelheit.
Aber vom Schicksal geküsst - immer.

Kati 17.07.2019, 12.00 | (3/3) Kommentare (RSS) | PL

Zeugnistag

Ist es nicht erst ein paar Tage her, dass es Halbjahreszeugnisse gab?
So ewig lang uns die Zeit bis zum Sommer noch vorkam, so schnell ist sie dann doch vergangen. Sommerferien, endlich. So dringend nötig für uns alle.
Die Kinder haben heute ihre Zeugnisse bekommen und was soll ich sagen?

Ich bin so stolz auf sie, dass sie allesamt wieder ein Jahr Schule absolviert haben.
Auf jeden etwas anders und jeder ist in diesem Jahr mal wieder über sich hinausgewachsen.

Der Kobold hat seinen Drang zur Unterrichtssabotage inzwischen weitestgehend unter Kontrolle und hat das Lernen für sich entdeckt. Leider unterrichten einige seiner Lehrer immer noch nicht für alle Wahrnehmungstypen gleichwertig, sondern hauptsächlich visuell und auditiv, aber das können wir zuhause abfangen. Mit den Berufswünschen Polizist oder Youtuber kann ich hervorragend leben, denn der Kobold geht seinen Weg auf seine Weise. Wir werden sehen, wo er uns hinführt. Notentechnisch hat er sich in fast allen Fächern um eine Note verbessert und das ist eine Leistung für ihn, die man mit Worten kaum angemessen beschreiben kann.

Das ehemals gehörlose kleine Kind, das ein Jahr früher eingeschult wurde und das entgegen der Empfehlungen nicht auf eine Sonderschule sondern auf eine Regelschule geht, hat auch das zweite Schuljahr mit Bravour gemeistert. Überflieger, in jedem Fach, in jedem Bereich. Es liegt einfach in ihm. Sein Paradefach Mathematik ist ihm oft zu leicht, löst er doch die Gleichungen des Achtklässlers hier genauso leicht wie ihm das Bruchrechnen mit der Sechstklässlerin fällt.

Die Kriegerprinzessin hat ihr erstes Jahr am Gymnasium ebenfalls hervorragend gemeistert. Kein Straucheln, keine Zweifel, nichts. Öfter mal ist sie mit ihrem Dickkopf an (Lehrer-)Wände gestoßen, aber das darf auch sein. Sie behauptet sich. Das berühmte "Absacken" der Noten im ersten Jahr des Gymnasiums blieb auch bei diesem Kind aus. 

Jetzt endlich Schulsachen in die hinterste Ecke, Konsolen raus, Strandlaken auf die Gartenliegen, Wasser in den Pool, Eiscreme ins Gefrierfach. Sommerferien, wir kommen!

Kati 12.07.2019, 18.00 | (0/0) Kommentare | PL

Gebranntes Kind

Manchmal lohnt es sich, noch mal einen Schritt Richtung Feuerstelle zu wagen um dann festzustellen, dass es nur noch die Asche der Vergangenheit ist, die einem Angst machte.

Kati 02.07.2019, 18.00 | (0/0) Kommentare | PL

Agonie

Wenig in meinem Leben erreichte je die bittere Intensität jenes Schmerzes, den ich zurzeit empfinde. Versagen, Wut, Enttäuschung und Liebe reichen sich die Hand und weinen gemeinsam. Ich bin nicht die, für die ich mich hielt. Ich strauchle mehr als ich jemals für möglich hielt. Ich kämpfe nicht so unfair wie ich mir geschworen hatte. Ich liebe mehr als ich ertragen kann. Ich verabschiede mich langsamer als mit gut täte. Mein Herz blutet stärker als ich erlauben wollte. Ich sehe das ersehnte Lebewohl vor mir, wenige Meter nur, so nah und gleichzeitig unerreichbar.
Fehlt mir der Mut? Die Kraft? Das Wollen? Wo ist meine Selbstachtung? Wann richte ich mich endlich auf und sperre aus, was mir absichtlich so weh tut? Kann ich das? Tut es danach noch mehr weh als jetzt? Kann es doch eigentlich nicht. Aber es ist vieles passiert, das ich nie für möglich hielt.
Ich will diesen Kampf nicht mehr. Ich will nicht mehr und ich kann nicht mehr.
Wenn man um eine Liebe kämpfen muss, dann ist es keine.
Quod me nutrit, me destruit.

Kati 01.07.2019, 18.00 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL




Das Tragische an diesem Leben ist nur, dass es auf einer wahren Geschichte beruht.


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